Schattenlicht: Biografischer Roman Teil 2 (German Edition) by Martin Bühler

Schattenlicht: Biografischer Roman Teil 2 (German Edition) by Martin Bühler

Autor:Martin Bühler [Bühler, Martin]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-03-09T16:00:00+00:00


Sonderurlaub für ein Wintersemester

Wir bekamen regelmäßig ein Verordnungsblatt, in dem alle neuen Bestimmungen veröffentlicht wurden. Wir in der Verwaltung hatten dieses Blatt immer zuerst. Von uns aus ging es an die einzelnen Abteilungen. Dem Bedarf entsprechend kam eine Verordnung, dass für das kommende Wintersemester Studenten der Medizin und der Chemie für ein Semester beurlaubt werden konnten, sofern sie nicht in einer unentbehrlichen Funktion beschäftigt waren. Ich war nun doch wirklich so unwichtig wie ein Kropf.

Nachdem das Blatt die Runde gemacht hatte und abgezeichnet bei uns wieder zurückgekommen war, eilte ich hoffnungsvoll zu meinem Adjutanten, über den alles lief, was innerhalb des Stabes geschah. Ich klopfte an, trat auf Befehl ein, machte die zackigste Ehrenbezeugung, die ich je zustande gebracht hatte: „Unteroffizier Bühler erlaubt sich anzufragen, ob er für das Wintersemester für Chemie freigestellt wird!“

Ein Donnerwetter entlud sich über mich: „Sie Schweinehund, Sie wollen sich vom Wehrdienst drücken, ich stecke Sie sofort an die Front“, und so weiter. Mir fiel das Herz in die Hose. Was hatte ich nur angestellt, jetzt war mein Madenleben verwirkt.: „Hauen sie ab!“

Ich verschwand, blieb im Flur stehen, überlegte. Ich konnte nichts mehr kaputt machen. Die nächste Tür war die zum Oberst, dem Chef des Stabes. Dieses Heiligtum durfte nur über den Adjutanten Thun nach vorheriger Anmeldung betreten werden. Ein Oberst ist in Militärkreisen ein ganz hohes Tier.

Ich klopfte in meiner Verzweiflung bei ihm an. „Herein!“ Ich trat ein, machte meine Ehrenbezeugung und brachte mein Sprüchlein ohne Stottern vor, immer noch in einer krampfhaft militärischer Haltung. Mit einer väterlichen Stimme sagte der Oberst: „Rühren Sie sich.“ Das bedeutete, dass ich in einer legeren Haltung mit ihm reden konnte. Er sagte, er werde es überprüfen, er habe diese Passage nicht beachtet. Ich zog mein Amtsblatt heraus und erläuterte ihm die Situation.

Er studierte den Artikel gründlich. Er fragte mich, was ich im Stab für eine Funktion hätte. Er hatte ein Einsehen. „Nun, dafür werden wir schon einen Ersatz finden. Ich freue mich, wenn junge Leute für einen zivilen Beruf so viel Begeisterung aufbringen. Wie lange sind sie denn schon Soldat?“

„Seit 1939“ gab ich zur Antwort.

„Und Sie haben es nicht weiter gebracht?“

Ich erzählte ihm meine Leidensgeschichte und fügte noch hinzu, dass ich bald als Soldat vollkommen ungeeignet wäre. Er fragte dies und das. Zum Schluss sagte er: „Ich genehmige ihnen dieses Wintersemester!“

„Herr Oberst, wie kann ich Ihnen das danken!“

„Ist schon gut.“

Ich machte meine Ehrenbezeugung. Er grüßte freundlich gütig. Was gab es bei diesem geistlosen Kommiss für strahlende Persönlichkeiten! Ich war vor Rührung den Tränen nahe. Als ich am Vorzimmer des Oberleutnant, also am Adjutantenzimmer, vorbeikam stürzte Adjutant Thun heraus und verdonnerte mich zu drei Tagen Arrest wegen Übergehung des Dienstweges. Er brüllte wie ein entfesselter Stier. Ich brachte kein Wort der Entschuldigung heraus. Wie er so lautstark tobte, öffnete sich die Tür des Obersts: „Herr Than, lassen sie diesen Unteroffizier, ich habe ihm den Sonderurlaub genehmigt; deshalb brauchen sie ihn nicht verdonnern.“

Einem Kampfstier wurden die Hörner gekappt. Für mich wurde es kritisch für die nächsten zwei Monate bis zu den Studienferien.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.